Interview mit der neuen Galeristin Barbara Blickensdorff
In der Galerie der Burg-Klempenow ändert sich was
Tollensetaler Stimme 12/2020
TTS: Hallo Barbara uns ist zu Ohren gekommen, dass Du in der kommenden Saison die Leitung der Galerie auf Burg Klempenow übernehmen wirst. Wie kam es dazu? Du bist ja hier in der Gegend als Galeristin noch nicht in Erscheinung getreten und die meisten kennen Dich gar nicht.
BB: Meine Aktivitäten als Galeristin gingen bisher immer von Berlin aus. Ich habe dort Außenhandels-Ökonomie und später Kunstgeschichte studiert. Etwa 20 Jahre lang war ich im Kunstmanagement beschäftigt und führte davon 12 Jahre lang meine eigene Galerie in Berlin-Mitte. Sie hieß „Galerie Blickensdorff“ für zeitgenössische Bildende Kunst mit dem Schwerpunkt „verarbeitete Fotografie“, also Fotografie, die – könnte man sagen – eigentlich Malerei ist, weil sie im Kopf der KünstlerInnen da ist, bevor sie auf dem Papier entsteht.
Also es geht da nicht um das Einfangen des „entscheidenden Moments“, wie bei Cartier-Bresson oder in der Presse- Fotografie.
Seit eineinhalb Jahren wohne ich in Hohenbüssow, kenne aber das Tollensetal schon seit langer Zeit, auch einige Leute vom Kulturverein der Burg und die Burg Klempenow selbst.
Eines Tages sprach mich Heide Tworke, die Galeristin der Burg, an und fragte mich, ob ich die Galerie weiterführen wöllte.
Ich bat mir etwas Bedenkzeit aus, führte mit Heide ein „Interwiev“ über alles, was die Galerie anging und dann sagte ich zu.
TTS: Wenn ich richtig verstanden habe, war Deine Galerie in Berlin eine kommerzielle Galerie. In Klempenow handelt es sich aber um eine Galerie des Kulturvereins. Ist das nicht etwas ganz anderes?
BB: Stimmt. Die Galerie in Klempenow ist keine Verkaufsgalerie. Sie muss nicht vom Verkauf der Kunst leben, dazu Miete und Mitarbeiter bezahlen, auf internationalen Kunstmessen ausstellen und die Biographien der KünstlerInnen der Galerie gestalten. Die Arbeit so einer kommerziellen Galerie ist ziemlich kraftaufwendig, nervenaufreibend und mit viel internationaler Reistätigkeit verbunden.
In Klempenow kann ich eine bereits bestens etablierte Galerie weiter führen und dabei meine Erfahrungen sehr gut nutzen. Wie man eine Ausstellung inhaltlich entwickelt, die Hänge- konzeption macht, Ausstellungskataloge und -Texte produziert, Kunst verpackt, transportiert, versichert usw. ist mir ja geläufig.
TTS: Nun sind die Räume in der Burg alles andere als „white cubes“, fast nirgends gibt es die sonst üblichen weißen Wände mit gestreutem Oberlicht im genau richtigen Weißton und die ruhigen unauffälligen Fußböden.
Außerdem sind die Räume in der Burg streng denkmalgeschützt…
BB: Das empfinde ich als besondere Herausforderung. Eigentlich sind die Räume in der Burg ja schon selbst eine Ausstellung. Das Licht kommt unverhofft von allen Seiten, die Wände tragen die Spuren der jahrhundertelangen Geschichte und dürfen nicht durch Nägel oder Schrauben berührt werden. Wir werden also Ausstellungen machen, die sich ganz konkret auf die Räume in Klempenow beziehen, es werden Kunstwerke entstehen, die genau für diese Räume gemacht sind und es werden auf diese Art Ausstellungen sein, die man nur hier in Klempenow sehen kann, nirgends sonst.
TTS: Welche Ausstellungen werden wir zu sehen bekommen? Gibt es schon Künstler, Ausstellungstitel und -Termine?
BB: ja, die gibt es. Wir beginnen am Sonntag, den 2. Mai mit einer Ausstellung des Berliner Künstlers Daniel Wiesenfeld (www.danielwiesenfeld.com)
Er arbeitet gegenständlich im wahrsten Sinne. Was auch heißt, die Sinne für das Abstrakte im Gegenständlichen zu schärfen, in der gegenständlichen Darstellung quasi auch hinter den Gegenstand zu sehen. Er zeigt Menschen in alltäglichen oder besonderen Situationen und der gesamte Horizont von Familiengeschichte und Gesellschaft schwingt darin mit.
Die Themen „Tischgesellschaft“ oder geselliges Handeln, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Arbeiten von Daniel Wiesenfeld.
Vom 4. Juli bis zum 22. August 2021 wollen wir Arbeiten von Detlef Baltrock zeigen. (www.baltrock.com) Ein wichtiges Thema für Baltrock sind Schatten. Er dekonstruiert und zeigt die Kehrseite von Wesen und Dingen. Er wandelt auf dem schmalen Grat zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit: Die Makro-Struktur seiner Arbeiten sind fast immer abstrakt, aber im Detail sind Landschaften, Geschichten und Verwandlungen zu entdecken. Im Spektrum zwischen „schwarz“ und „weiß“ schöpft er alle Nuancen aus und lässt die Schatten anscheinend farbig erscheinen. Das – und die Tatsache, dass er den Schnittpunkt von Traurigkeit und Heiterkeit ziemlich genau zu treffen versteht, gibt seinen Arbeiten ihre Tiefe.
Die dritte Ausstellung ist vom 5. September bis 17. Oktober 2021 geplant. Gezeigt werden Arbeiten von Matten Vogel. (www.instagram.com/mattenvogel www.mattenvogel.de)
Er arbeitet in den letzten Jahren konsequent ungegenständlich. Die Themen seiner Malerei und seiner Raum-Installationen sind die Diskurse der abstrakten und konstruktiven Kunst:
Die Aufteilung und Modulation des Bildraums, die Gewichtung der Farben, der Flächen und Linien. Bildtitel wie „ Jahr“ oder „Kalenderwoche“ weisen auf einen konkreten Anlass der Darstellung. Zu sehen sind dann aber Raster-Linienstrukturen, farbige Punkt-Kompositionen oder Farbfelder in jeweils vollkommen ausbalancierter Bildkomposition.
Vielleicht werden wir Bilder sehen, die Titel tragen wie: „Rasterkorrektur mit hellgrüner Fläche und zwei roten Linien“ oder „ ISO mit Q2“ oder „rdzt#1“.
TTS: Deine Beschreibung der Ausstellungen klingt nach einem Bogenschlag von der gegenständlichen Kunst bis hin zur gnadenlosen Abstraktion.
BB: ja, das hast Du krass, aber voll treffend formuliert. Genau das ist der Plan für das Kunstjahr 2021 auf Klempenow.
Wir bewegen uns von der Gegenständlichkeit über etwas, das irgendwie dazwischen liegt, hin zum Nicht-Gegenständlichen. Der Diskurs über Gegenständlichkeit und Abstraktion und die verschiedenen Zwischenformen davon, ist ja in der Kunst – nicht nur in der Bildenden Kunst – ständig präsent. Dieses Thema wohnt der Kunst sozusagen inne. Die historische Extremst-Form davon war zur Zeit des kalten Krieges die „Formalismus Debatte“. Damals wurden diese Themen ja sogar stark politisch befrachtet.
TTS: ja Stimmt. Allerdings kenne ich derartige Debatten vor allem in der Bildende Kunst…?…
BB: ja, dort wird sie vielleicht am intensivsten geführt, kann sein. Aber in der Musik, dem Theater, dem Film, der Literatur usw. gibt es sie ebenso.
In Klempenow planen wir genau zu diesem Themenbogen ebenfalls auch Konzerte zeitgenössischer Musik, als Gesprächs-Konzerte in der neu gegründeten „Hörwerkstatt“. Wenn alles gut geht hören wir dann Uraufführungen von Neuer Musik, die gegenständlich oder abstrakt ist, oder etwas von beidem hat und können dann mit den KomponistInnen und MusikerInnen darüber ins Gespräch kommen.
TTS: OK, das wäre ja ein Thema für das nächste Interview. Vielen Dank bis hierher und alles Gute für den Neubeginn in Klempenow.
BB: Danke ebenfalls und ich freue mich schon sehr darauf.